Neue Literatur zum Thema Mobilfunk
Im Folgenden stellen wir vier neue Bücher und Broschüren vor,
die sich in sehr verschiedener Weise dem Thema widmen, sich aber
- bis auf eins - vom Niveau deutlich von der Masse der Bücher zum
Thema Elektrosmog und Mobilfunk abheben.
Krank durch Mobilfunk?
Prof. Dr. med. Reinhold Berz, der seit Jahrzehnten in leitenden
Positionen in der Arbeits- und Umweltmedizin tätig ist, hat vor
wenigen Wochen sein Buch "Krank durch Mobilfunk?" im Verlag Hans
Huber, Bern (ISBN 3-456-83971-5) veröffentlicht. Das Buch richtet
sich vor allem an Haus- und Fachärzte aller Fachrichtungen, die
mit Patienten konfrontiert sind, die den Mobilfunk als Ursache ihrer
Erkrankung ansehen. Es möchte Ärzte mit der Thematik inklusive ihrer
physikalisch-technischen Hintergründe vertraut machen und "vor allem
den gegenwärtigen Forschungsstand in konzentrierter und gut lesbarer
Form" vermitteln. Diesem Anspruch wird das Buch in vollem Umfang
gerecht - und das nicht nur für Ärzte, sondern für alle naturwissenschaftlich
vorgebildeten Laien.
Das Buch widmet sich auf ca. 60 Seiten den "Physikalischen Grundlagen"
und den "Techniken des Mobilfunks". Dabei werden auch Themen wie
das "Zeitschlitzverfahren" oder Sendeantennen von Basisstationen
ausführlich in Text und Grafiken vorgestellt, ebenso wie Messverfahren
und aktuelle Immissionsmessungen aus Deutschland und der Schweiz.
Besonders gelungen sind die Kapitel "Biologische Wirkungen von Mobilfunkfeldern"
und "Wirkungen beim Menschen", die einen kompetenten, aktuellen
und gut strukturierten Überblick über den Forschungsstand liefern.
Der Text wird dabei durch zahlreiche Tabellen, Grafiken und Fotos
ergänzt. Stets werden auch die Quellen der Primärliteratur genannt,
die im Anhang 50 Seiten (in kleiner Schrift) ausmachen.
Um diesen Forschungsstand, der zum Teil in Widerspruch zur öffentlichen
Diskussion steht, besser verstehen zu können, hat der Autor die
Kapitel "Methodische Probleme" bei der Beschreibung von Krankheitsursachen,
"Probleme der Risikowahrnehmung" und "Scientific Reports und zusammenfassende
Bewertungen" hinzu gefügt. Im Kapitel "Zusammenfassende Empfehlungen
zum Umgang mit dem Konfliktthema Mobilfunk" stellt der Autor auch
seine Position vor:
"Ich habe mich aufgrund meiner jahrzehntelangen ärztlichen Erfahrung,
nach intensiver Beschäftigung mit der Materie (einschließlich eigener
Versuche) und nach vielen Kontakten mit maßgeblichen Forschern auf
diesem Feld für eine Position "zwischen den Stühlen" entschieden.
Ich beobachte einerseits, dass immer häufiger mehr oder minder subtile
biologische Effekte von Mobilfunkfeldem, auch bei geringen Intensitäten,
in überprüfbaren Studien gefunden werden. Es wird zunehmend schwieriger,
auf einer völligen biologischen Wirkungslosigkeit von Hochfrequenzfeldern
bei Immissionen unterhalb der Grenzwerte zu beharren.
Andererseits ist dies bei Untersuchungen vielfältiger Umwelteinflüsse
eher die Regel als die Ausnahme. Musik kann offenbar Effekte beim
Wachstum von Pflanzen hervorrufen, Zivilisationslärm, an dessen
Entstehung wir alle beteiligt sind, zu EEG-Veränderungen führen,
und die Schädlichkeit von Autoabgasen ist unbestritten. Kaum jemand
fordert derzeit das Stilllegen aller Fahrzeuge und das Eliminieren
aller Lärmquellen (...). Wie Automobile, Flugzeuge oder der Gebrauch
des elektrischen Stroms ist auch die mobile Kommunikation ein mehrheitlich
gesellschaftlich gewolltes Medium unserer Zivilisation und braucht,
wie die anderen erwähnten Errungenschaften, eine Infrastruktur.
Es ist schwierig, Patienten mit einer vorgefassten Meinung zur Pathogenese.
wie wir es gerade beim Thema Mobilfunk oft vorfinden, neutral und
ergebnisoffen zu beraten. Zu groß ist die Erwartungshaltung, dass
der Arzt jetzt endlich die Ursache der vielfältigen Beschwerden
bestätigt, nicht selten werden sogar Atteste abgefordert (und gelegentlich
sogar erteilt). Kritisch wird es dann, wenn Patienten über das Thema
bestens informiert sind und von anderen Ärzten berichten können,
die ihre These stützen. Erschwerend kommt hinzu, dass bereits die
vorsichtige Erwägung möglicher psychischer Komponenten eines aktuellen
Beschwerdebildes zumeist heftige Abwehrreaktionen provoziert. Dies
spiegelt sich auch im "Freiburger Appell" wieder.
Zusammenfassend halte ich es für unzulässig, eine willkürliche Gefährdungsselektion
vorzunehmen und einen einzigen Expositionsparameter kausal für eine
Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen verantwortlich zu machen.
Es erscheint mir nur schwer vorstellbar, dass das Abschalten aller
Mobilfunkeinrichtungen zu einer messbaren Steigerung der Gesundheit
in der Bevölkerung führen würde."
Im Anhang des Buches finden sich weitere Tabellen, Literatur, zehn
(!) Seiten Internet-Adressen zur Thematik sowie ein detailliertes
und gut nutzbares Sachregister.
Wertung: Sehr empfehlenswert! Ein sorgfältig recherchiertes,
umfassendes und gut lesbares Buch - für Haus- und Fachärzte ein
Muss!
Elektrosmog. Störquellen erkennen - Gesundheitsrisiken vermeiden
Ganz anders das Buch "Elektrosmog. Störquellen erkennen - Gesundheitsrisiken
vermeiden" von Feng-Shui-Experte Dominik F. Rolle im AT Verlag
Aarau (Schweiz) (ISBN 3-85502-884-2), das letztendlich einen sehr
negativen Eindruck hinterlässt.
Geht es um die Auswirkungen des Mobilfunks auf Mensch und Umwelt,
so finden wir hier eine wilde Sammlung all jener vermeintlichen
Fakten, die das universelle Risiko des Mobilfunks aufzeigen sollen
- aber nicht können. Entsprechend verzichtet der Autor auf jegliche
Quellenangaben für seine Behauptungen. Auch seit Jahren durch neue
Studien widerlegte Zusammenhänge werden ohne Hemmung weiterhin als
Erkenntnisse präsentiert. Im Anhang finden sich lediglich zwölf
- sehr einseitige - Bücher zum Thema.
Der Autor tut genau das, wovor der Autor des oben besprochenen Buches
gewarnt hat: Er nimmt eine willkürliche Gefährdungsselektion vor
und macht einen einzigen Expositionsparameter kausal für eine Vielzahl
unterschiedlicher Erkrankungen verantwortlich. Der sachunkundige
Leser, der den Verdacht hegt, seine Beschwerden würden mit Elektrosmog
zusammen hängen, wird von diesem Buch ohne wenn und aber bestätigt.
Der größte Teil des Buches widmet sich der Fragestellung: Wo treten
in meinem Lebensumfeld elektromagnetische Felder auf und wie kann
ich diese Belastungen vermindern? Der Leser findet hier durchaus
viele interessante Fakten und Tipps. Unangenehm bis unverantwortlich
ist aber das ständige Spiel mit der Angst. Im Kapitel DECT-Telefone
heißt es: "Wenn Sie unter folgenden Symptomen oder Krankheiten leiden,
kann ein DECT-Telefon in Ihrer Nähe die Ursache sein (da die Geräte
200 m Reichweite haben, kann es sich auch um eines oder mehrere
Geräte Ihrer Nachbarn handeln) "... ." Es folgen dann zehn
Symptomgruppen mit jeweils zwei bis zehn Symptomatiken, wie Nervöse
Störungen. Verhaltensstörungen bei Kindern, Blutbildveränderungen,
Herzrythmusstönmgen, Bluthochdruck. Tinnitus, Neigung zu Unfruchtbarkeit,
Sehstörungen, Alzheimer, Parkinson, Epilepsie, Multiple Sklerose,
Depressionen und vieles mehr - alles ohne jegliche Quellenangabe!
Beim Mikrowellenherd heißt es "schicken Sie die Kinder aus dem Raum
.... Vorsicht: Die Strahlung durchdringt auch Wände!"
Als (Not-)Lösung werden am Ende des Buches dubiose Elektroschutzgeräte
gepriesen.
Wertung: Ein ausgesprochen schlechtes Buch über das Thema
Elektrosmog, wie es sie leider zahlreich am Markt gibt. Das Buch
richtet sich an den besorgten Laien, dessen Ängste und vermeintliches
Wissen über die Ursachen seiner Beschwerden bestätigt und weiter
geschürt werden. Eine wilde Mischung aus Halb- und Unwahrheiten,
Vorurteilen. Fiktion und Einbildung.
Schirmung elektromagnetischer Wellen im persönlichen
Umfeld
Von ganz anderer Qualität ist die Broschüre "Schirmung elektromagnetischer
Wellen im persönlichen Umfeld" vom Bayerischen Landesamt für
Umweltschutz (zu beziehen über: www.bayem.de/lfu). Die über
30 Seiten starke Broschüre im DIN-A4-Format ist prall gefüllt mit
spannenden Informationen zum Thema HF-Abschirmung, die in dieser
Form bislang nicht verfügbar waren und auf eigenen Messreihen beruhen.
Im Vorwort heißt es: "Im Einzelnen geht es dabei um die Schirmung
durch massive Baustoffe und Holzkonstruktionen, die beim Hausbau
Verwendung finden. Auch Fenster, Dächer, Wandbeschichtungen, Textilien
und Häuser sind getestet worden.
Aufgestaute Angst kann krank machen. Untätigkeit löst sie nicht
auf; vielmehr ist sie Antrieb zum Handeln. Mit dieser Broschüre
haben Sie auf physikalischen Tatsachen beruhende Daten an der Hand,
aufgrund derer Sie selbst im Zusammenwirkungen mit qualifizierten
Fachleuten hochfrequente elektromagnetische Felder in Ihrem Umfeld
weiter mindern können. Sie haben damit die Chance, physikalisch
wirksame Maßnahmen zu ergreifen und laufen nicht Gefahr, sich auf
wissenschaftlich nicht begründbare Vorschläge, wie z.B. Kristalle
unter's Bett zu stellen oder das Tragen bestimmter Anhänger, einzulassen."
Nach einer guten technisch-physikalischen Einleitung ins Thema,
werden die verschiedenen Konstruktionen und Baustoffe in Hinblick
auf ihre HF-Schirmung vorgestellt. Hier einige Beispiele: Unter
den untersuchten massiven Baustoffen hat Kalksandstein mit 50 %
Magnetit (sowie magnetithaltigem Mörtel zwischen den Steinen) die
mit Abstand besten Abschirmeigenschaften. Je nach Frequenz beträgt
der Schirmwirkungsgrad 99 bis 99,9999 % gegenüber etwa 90 % bei
reinem Kalksandstein.
Holzkonstruktionen zeigen insgesamt schlechtere Abschirmeigenschaften,
aber auch hier gibt es Unterschiede. So schirmt das harzreiche Lärchenholz
im oberen GHz-Bereich doppelt so gut wie das dichtere Eichenholz.
Große Unterschiede gibt es bei den Fenstern. Ideal sind metallbedampfte
Gläser, die nicht nur die Wärmestrahlung reflektieren, sondern auch
mehr als 99,9 % der auftreffenden Strahlung des D-und E-Netzes zurückwerfen.
Zusammen mit Fensterrahmen aus Metall oder Holz- bzw. Kunststoffrahmen
mit Metalleinlage oder Alu-Profil schirmen solche Fenster ebenso
gut wie die besten Massivbaustoffe. Ähnliche Effekte wie bei den
metallbedampften Gläsern findet man bei metallbedampften Sonnenschutzfolien
sowie feinem Maschendraht oder Metallgewebe.
Auch Wandbeschichtungen wurden untersucht. Sehr gute Schirmwirkungen
zeigen Fassadenvorsatzelemente aus Aluminiumplatten, ebenso wie
Tapeten, die mit einer Aluminiumfolie verbunden sind, und verkupferte
Faservliese. Für den Dachbereich bieten sich Dachbleche aus Eisen,
Kupfer oder Aluminium an, ebenso wie spezielle Metallfolien, die
gleichzeitig Luft- und Dampfsperren bilden.
Auf den letzten Seiten werden praktische Tipps zur Strahlungsminimierung
in Innenräumen gegeben und sogar Angaben zu den Kosten der untersuchten
Materialien. Dabei wird nicht vergessen, darauf hin zu weisen, dass
die Schirmungsmaßnahmen die individuelle Strahlenbelastung bei der
Handy-Nutzung im Haus erhöhen. In gut geschirmten Häusern ist das
Mobil-Telefonieren kaum noch möglich und sollte möglichst vermieden
werden.
Wertung: Eine herausragende Informationsschrift zum Thema
HF-Schirmung. Jeder der seine Wohnung oder sein Haus wirklich vor
Mobilfunkstrahlen schützen möchte, kommt um diese Broschüre nicht
herum. Nach dieser Broschüre gibt es keinen Grund (und keine Ausrede)
mehr, sich mit dubiosen Techniken vor Mobilfunkstrahlung schützen
zu wollen.
Hochfrequente Strahlung und Gesundheit
Wer sich für den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion
über die möglichen Gesundheitsgefahren des Mobilfunks interessiert,
findet in der Broschüre "Hochfrequente Strahlung und Gesundheit"
des Schweizer Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)
die geeignete Lektüre (Umwelt-Materialien Nr. 162, Bezug über www.buwalshop.ch).
Auf 165 DIN-A4-Seiten werden sämtliche in der Diskussion befindlichen
gesundheitlichen Auswirkungen von Hochfrequenzstrahlung auf den
Menschen auf neuestem wissenschaftlichen Stand vorgestellt und bewertet
- natürlich mit umfassenden Quellenangaben. Neben diesem Hauptschwerpunkt
der Broschüre werden die physikalisch-technischen Grundlagen, die
Wechselwirkung Strahlung-Mensch, die realen Expositionen der Bevölkerung
sowie die Grenz- und Vorsorgewerte ausführlich behandelt.
Ein besonderes Highlight der Broschüre ist eine Tabelle, die sämtliche
diskutierten Auswirkungen der HF-Strahlung auf den Menschen zusammenfasst
und in einer Matrix bewertet. Auf der einen Seite umfasst die Matrix
die Wertung bzgl. der Evidenz: "gesichert", "wahrscheinlich", "möglich",
"unwahrscheinlich" und "nicht beurteilbar". Auf der anderen Seite
finden wir die Wertung für die Wirkung: "gravierend", "Einschränkung
des Wohlbefindens" und "Gesundheitsrelevanz unklar". Diese eine
Tabelle zeigt die aktuelle Erkenntnislage besser als ganze Bücher
zu diesem Thema.
Auffallend ist, dass es bislang keine "gravierenden" Wirkungen gibt,
die "gesichert" oder auch nur "wahrscheinlich" sind. Die Autoren
bewerten allerdings Einschränkungen des Wohlbefindens in Form von
"Unspezifischen Symptomen" wie Kopfschmerzen. Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten,
Unbehagen, brennende Haut als "wahrscheinlich". (Vgl. hierzu auch
Elektrosmog-Report, Juni 2003).
Wertung: Die BUWAL-Broschüre richtet sich von ihrer gesamten
Machart her an Elektrosmog-Experten und ist für diese eine unverzichtbare
Dokumentation des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes,
in der aber auch der Mut zu klaren Bewertungen nicht fehlt.
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