Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems gehören in den industrialisierten Ländern
zu den häufigsten Krankheiten und Todesursachen. Deshalb gehört bei der
Erforschung ihrer Verursacher, neben den Hauptverantwortlichen wie Übergewicht
oder Bewegungsmangel, auch dem eventuellen Einfluss von elektromagnetischen
Felder erhebliches Interesse.
Dabei untersucht man kardiovaskuläre Veränderungen, also etwa Änderungen
des Blutdrucks, der Herzfrequenz oder der Wellenform des Elektrokardiogramms.
Allerdings stellen kleine Veränderungen von Herz-Kreislaufparametern (z.B. Pulsrate),
die durch vielfältige Einflüsse permanent auftreten, nicht unbedingt
gleichzeitig ein Gesundheitsrisiko dar.
Bislang gesicherte Effekte zeigen sich z. B., wenn ein elektrischer Strom durch
den Körper fliesst, wie bei einem Stromschlag (dann jedoch oft mit tödlichem
Ausgang). Die Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder unterhalb
der Grenzwerte lassen sich dagegen noch nicht zusammenfassend beurteilen.
Nachfolgend ist eine Übersicht über Forschungsarbeiten auf diesem
Gebiet, mit abschliessender Bewertung:
In der Schwarzenburg-Studie wurde anhand einer Befragung von Personen,
die in drei unterschiedlich belasteten Gebieten um einen Kurzwellensender
lebten, ein Einfluss der Kurzwellenstrahlung auf den Bluthochdruck untersucht
(ALTPETER et al. 1995). Bluthochdruck wurde in den 3 unterschiedlich exponierten
Zonen statistisch signifikant verschieden angegeben. In der am stärksten
belasteten Zone A gaben 17% an, unter Bluthochdruck zu leiden, in Zone
B 15% und in Zone C 12%. Ärztlich diagnostizierter Bluthochdruck wurde
von 14%, 8% und 8% der Personen in den Zonen A, B und C angegeben. Eine polnische Studie untersuchte Einflüsse der Radiostrahlung auf das Herz- Kreislaufsystem bei 71 exponierten männlichen Arbeitern auf einer Radiostation im Vergleich zu einem Kontrollkollektiv (BORTKIEWICZ et al. 1996, BORTKIEWICZ et al. 1997, BORTKIEWICZ et al. 1995). Die mittlere Exposition während eines Arbeitstages lag bei rund 15 V/m. Höchstwerte variierten zwischen den Personen des Kollektivs und betrugen im Mittel 164 V/m, wobei individuell Feldstärken bis 500 V/m während einiger Minuten täglich auftraten. Bei den exponierten Arbeitern wurden signifikant mehr Abnormalitäten in den Ruhe-EKG- und 24h-EKG-Daten beobachtet als im Kontrollkollektiv. Analysen, unterteilt nach den verschiedenen Abnormalitäten, ergaben die grössten Unterschiede für Rhythmusstörungen (p=0.06). Nur gering waren die Unterschiede in den Leitungs- und Repolarisationsstörungen. Der F3-Parameter, interpretiert als Indikator für den parasympathischen Nervensystemtonus, war signifikant negativ mit der Exposition korreliert. Pathologische EKG-Befunde sowie Pulsrate und Bluthochdruck waren zwischen Exponierten und Kontrollen nicht signifikant verschieden, jedoch war das Tag- Nacht-Verhältnis des systolischen Blutdruckes und der Pulsrate im exponierten Kollektiv signifikant tiefer. Experimentell wurde von BRAUNE et al. 1998 der Einfluss einer
35-minütigen Exposition durch ein Mobiltelefon in der üblichen Gebrauchshaltung
auf Kreislaufparameter untersucht. Dabei wurde beobachtet, dass bei realer
Exposition der systolische und der diastolische Blutdruck signifikant
um 5 - 10 mm Hg höher waren als bei Scheinexposition. Bei anschliessend
durchgeführten Bewegungsübungen war die Vasokonstriktion bei vorheriger
Exposition signifikant stärker als ohne, beim Blutdruck bestanden keine
signifikanten Unterschiede. Bei Exposition durch das Mobiltelefon war
die Pulsfrequenz sowohl während der Expositionsphase als auch während
der Bewegungsübungen signifikant tiefer als bei Scheinexposition. Um Langzeiteffekte
der Exposition zu eliminieren, wurde immer zuerst die Scheinexposition
durchgeführt und dann die reale Exposition, ohne dass dies den Probanden
mitgeteilt wurde. Dennoch ist dies als methodische Limitierung zu betrachten.
Die Exposition gegenüber einem Mobiltelefon im Schlaf hatte bei einer lokalen SARvon 0.3 W/kg keinen signifikanten Einfluss auf die Pulsrate (MANN et al. 1998). Eine amerikanische Studie analysierte die Todesfälle einer Kohorte von knapp 300'000 Mobiltelefonbenützern in Bezug auf den verwendeten Telefontyp: handgehaltene Geräte mit eingebauter Antenne versus Geräte mit externer Antenne (DREYER et al. 1999A). Es wurde angenommen, dass die Benutzer von letzteren weniger stark strahlungsexponiert sind als die Benutzer von handgehaltenen Geräten. Bezüglich 176 Herz-Kreislauftodesfällen wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Benutzergruppen gefunden. Der Einfluss von hochfrequenter Strahlung auf das Herz-Kreislaufsystem wurde bisher kaum untersucht. Es gibt zur Zeit wenig Ansätze für eine Hypothese, wie solche Effekte direkt durch hochfrequente Strahlung verursacht sein könnten. Diskutiert wird zuweilen eine Beeinflussung über den physiologischen Schrittmacher des Herzens (Sinusknoten). Denkbar wäre auch, dass sich im Herz-Kreislaufsystem Effekte von elektromagnetischer Strahlung indirekt manifestieren. Beispielsweise, dass Strahlungsexposition einen psychischen Stress erzeugt, den Schlaf beeinflusst, etc. und sich dies im Herz-Kreislaufsystem manifestiert, so dass möglicherweise der Bluthochdruck als Indikator für den erlebten Stress steht. Die Resultate der Schwarzenburg-Studie sind möglicherweise in diese Richtung interpretierbar. Einerseits bestand im Studiengebiet schon vor der Untersuchung seit längerem eine Polemik um die Schädlichkeit des Senders, andererseits wurden Zusammenhänge zwischen der Exposition und der Schlafqualität gefunden. Eine polnische Studie zeigte (BORTKIEWICZ et al. 1996, BORTKIEWICZ et al. 1997, BORTKIEWICZ et al. 1995), dass verschiedene Parameter des Herz-Kreislaufsystems durch eine relativ hohe Exposition gegenüber Radiostrahlung beeinflusst wurden. Die Aussagekraft dieser Studie ist davon abhängig, ob das exponierte Kollektiv mit dem Kontrollkollektiv vergleichbar war. Der Einfluss von Alter und Geschlecht wurde berücksichtigt. Jedoch kann der Einfluss von anderen Faktoren (z.B. Sportverhalten) nicht beurteilt werden. Die Autoren schliessen aus ihrer Studie, dass eine mehrjährige Exposition gegenüber Radiostrahlung mit hohen Feldstärken keinen beträchtlichen Risikofaktor für ischämische Herzkrankheiten darstelle. Jedoch scheine die Strahlung die Funktion des autonomen Nervensystems zu beeinflussen. Zwei experimentelle Studien zu den Wirkungen der Mobiltelefonexposition auf den Blutdruck sind schwierig zu interpretieren (BRAUNE et al. 1998, BRAUNE et al. 2002). Die erste Studie ist methodisch mangelhaft und die Ergebnisse wurden zurückgezogen. Die zweite Studie ist schlecht dokumentiert. Kein statistischer Zusammenhang zwischen Mobiltelefonbenutzung und Herz- Kreislauftodesfällen wurde in der grossen amerikanischen Registerstudie (DREYER et al. 1999B) gefunden. Es ist allerdings fraglich, ob mit dem gewählten Studienansatz ein reales Risiko signifikant hätte festgestellt werden können. Bei solchen Registerstudien besteht nämlich das Problem, dass die Personen, die als Mobiltelefon- Benutzer registriert sind, häufig nicht mit den tatsächlichen Benutzern übereinstimmen (Eltern, Geschäftstelefone, etc.). Dazu kommt, dass die Langzeitexposition der beiden Kollektive in der Realität möglicherweise nicht so unterschiedlich war, wie dies für den Studiendesign angenommen wurde. Handgehaltene Telefone mit integrierter Antenne, denen eine höhere Exposition zugeschrieben wurde, sind in Amerika nämlich noch nicht so lange verbreitet wie die Autotelefone. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Benützungsdauer von handgehaltenen Telefonen kürzer ist als die von Autotelefonen. Andererseits ist die Sendeleistung bei Geräten mit einer externen Antenne rund 5 Mal höher. Insgesamt ist auf der Basis der bisherigen Studien nicht beurteilbar, ob das Herz- Kreislaufsystem bei Expositionen unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte beeinträchtigt wird. Eine Studie gibt einen Hinweis, dass hohe Feldstärken auf das autonome Nervensystem wirken, und sich dadurch Parameter des Herz-Kreislaufsystems verändern. Diese Veränderungen wurden als nicht pathologisch klassifiziert. Die Gesundheitsrelevanz von Einflüssen auf das Herz-Kreislaufsystem lässt sich nicht generell klassifizieren. In Anbetracht der Tatsache, dass Herz-Kreislauferkrankungen in den industrialisierten Ländern zu den häufigsten Krankheiten und Todesursachen gehören, sind Veränderungen potenziell gravierend. Bereits eine geringe Risikoerhöhung würde eine grosse Anzahl von Fällen bedeuten. Individuell stellen kleine Veränderungen von Herz-Kreislaufparametern (z.B. Pulsrate) jedoch nicht unbedingt ein Gesundheitsrisiko dar. |
Diese Übersicht ist ein Auszug aus der Literaturstudie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel: Hochfrequente Strahlung und Gesundheit
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