Zu der durch die Medien recht bekannt gewordene Studie aus dem Jahr 2003 hat das Bundesamt
für Strahlenschutz auf einer Informationsseite
zur Blut-Hirnschranke die wesentlichen Fakten sowie seine Bewertung in einer nachfolgend vorgestellten Stellungnahme zusammengefasst. Diesem Beitrag schließt sich eine Kurzvorstellung zweier
weiteren Publikationen vom Salford aus dem Jahr 2008 sowie Studien anderer Gruppen an, die Salfords Ergebnisse nicht bestätigen können.
"Nerve cell damage in mammalian brain after exposure to microwaves from GSM mobile phones"; Eine Studie von Salford et al., 2003Von den Arbeitsgruppen Salford und Persson wurden in den 90er Jahren mehrere Studien veröffentlicht, in denen eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke für das Eiweiß Albumin bei zum Teil sehr geringen spezifischen Absorptionsraten beschrieben wird (Salford et al. 1993, 1994, Persson et al., 1997). Beobachtet wurden die Effekte sowohl bei "gepulsten" als auch bei "ungepulsten" Feldern. Die aktuelle Studie der Arbeitsgruppe erregte besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und wird daher hier ausführlicher besprochen: Untersucht wurde der Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks nach GSM 900-Standard auf die Blut-Hirn-Schranke in Ratten. Die Tiere wurden einmalig für zwei Stunden exponiert, die berechneten durchschnittlichen SAR-Werte (d.h. die im Gewebe absorbierte Energie in W/kg Körpergewicht) betrugen 0.002, 0.02 und 0.2 W/kg. Die beiden niedrigeren Werte liegen unterhalb des empfohlenen Wertes für die Ganzkörperexposition von 0,08 W/kg. 50 Tage nach der Exposition wurden die Tiere auf Albuminübertritte und neuronale Schäden untersucht. Der Übertritt des Eiweißes Albumin aus dem Blut ins Gehirn wurde mit einem für Albumin spezifischen Antikörper nachgewiesen. Diese Methode stellt ein übliches Untersuchungsverfahren für den Grad der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke dar. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Untersuchung der Tiere auf das Vorhandensein geschädigter Nervenzellen (sog. "dunkle Neurone"). Hierfür wurden Nervenzellen in den Schnittpräparaten mit dem Farbstoff Cresyl-Violett angefärbt. Veränderungen z.B. der Zellform lassen sich danach mikroskopisch erkennen. Die Ergebnisse können folgendermaßen zusammengefasst werden: 50 Tage nach der einmaligen, 2-stündigen Exposition zeigten die gegenüber den elektromagnetischen Feldern exponierten Tiere Albuminübertritte sowie zahlreiche abnormale Nervenzellen ("dunkle Neurone") in allen untersuchten Hirnarealen. Das Auftreten dieser "dunklen Neurone" war bereits bei der niedrigsten spezifischen Absorptionsrate von 0,002 W/kg nachweisbar. Bei 0.02 W/kg wurde das Maximum der Anzahl der Schäden (ca. 2% "dunkle Neurone") erreicht, der 10-fach höhere SAR-Wert von 0,2 W/kg führt zu keiner weiteren Verschlechterung der Schadensbilder. In scheinexponierten Tieren wurden entweder keine oder nur vereinzelte Albuminspots gefunden und nur in einem Tier trat eine geringe Anzahl dunkler Neurone auf. Das Fazit der Autoren lautet: Die Autoren bewerten die Ergebnisse der Studie als hochsignifikanten Hinweis auf neuronale Schäden nach Exposition mit elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks. Aufgrund des Alters der untersuchten Ratten sehen sie vor allem Parallelen zu jugendlichen Handy-Nutzern. Das BfS beurteilt diese Studie folgendermaßen: Zur experimentellen Durchführung ist folgendes anzumerken:
Die Ergebnisse, zu denen die Autoren gelangen, werden folgendermaßen beurteilt: Der Ausdruck "dark neurons" ("dunkle Neuronen") bezeichnet ursprünglich eine Anfärbbarkeit geschädigter Nervenzellen mit silberhaltigen Verbindungen. Was diese stärkere Anfärbbarkeit verursacht, ist unbekannt. Ihr Auftreten wird als Hinweis auf Nervenzellschäden angesehen, kann jedoch sehr unterschiedliche Ursachen haben, darunter einige experimentell bedingte wie unvollständige Fixierung der Präparate, mechanische Einwirkungen, nach dem Tod auftretende Erschütterungen u.a. Unter der Voraussetzung, dass die experimentelle Durchführung und Aufarbeitung der Präparate bei scheinexponierten Kontrollen und exponierten Tieren genau gleich war, dürften diese möglichen Fehlerquellen aber keine Rolle spielen. Insofern ergeben sich aus der Beschreibung der Methoden keine erkennbaren Hinweise darauf, dass die Nervenzellen durch die Handhabung während der Präparation geschädigt wurden (präparationsbedingte Artefakte). Vohra et al. (2002) beschreiben allerdings das Auftreten dunkler Neurone als "bisher nicht näher aufgeklärtes Altersphänomen" und weisen darauf hin, dass sich die Zahl dunkler Neurone schon bei 6 Monate alten Ratten im Vergleich zu 3 Monate alten Tieren annähernd verdoppelt. Da die von Salford untersuchten Tiere diese Altersspanne umfassen und keine Angaben über die Altersverteilung zwischen Kontrollen und exponierten Tieren zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegen, können Alterungsprozesse als Ursache zumindest nicht ausgeschlossen werden. Salford et al. vertreten die Ansicht, dass die als "dunkle Neuronen" sichtbaren Nervenzellschäden durch Albuminaufnahme verursacht wird, erwähnen jedoch nicht, ob ein räumlicher Zusammenhang zwischen den Albuminspots und den "dunklen Neuronen" festgestellt wurde. Auch wäre eine Einschätzung darüber wünschenswert gewesen, wie stark die Albuminaufnahme gegenüber den normalen physiologischen Bedingungen erhöht sein müsste, um derart massive neuronale Schäden zu verursachen. Bei den nach 50 Tagen, d.h. nach mehr als 7 Wochen gefundenen Albuminspots kann es sich nicht um unmittelbar als Folge der EMF-Exposition übergetretenes Albumin handeln. Alle Proteine werden innerhalb der Zellen nach kurzer Zeit wieder abgebaut, so dass ursprünglich übergetretenes Albumin nach 50 Tagen keinesfalls mehr nachweisbar ist. Salford et al. schlagen daher nicht näher erläuterte "sekundäre Prozesse" als Spätfolgen der ursprünglich gesetzten Schädigungen vor. In der Arbeit von Fritze et al. sind jedoch 7 Tage nach Exposition mit 7,5 W/kg keine Albuminspots mehr auffindbar und es zeigen sich auch keine Anzeichen auf neuronale Schäden. Leider diskutieren Salford et al. diese widersprüchlichen Ergebnisse nicht. Im Diskussionsteil der Studie fehlt generell die Auseinandersetzung mit Ergebnissen anderer Forschungsgruppen. Diese Diskussion wäre vor allem deshalb nötig, weil die Studie zwar ältere eigene Arbeiten bestätigt, aber im Widerspruch zu Ergebnissen anderer Forschungsgruppen steht. Zusammenfassend kann man sagen, dass in der Studie Effekte beschrieben werden, die unter der Voraussetzung, dass sie reproduziert werden könnten, gesundheitlich relevant wären. Die Studie wird jedoch durch eine Reihe von Ungenauigkeiten und Unklarheiten bei der experimentellen Durchführung, der Auswertung und der Beurteilung der Ergebnisse geschwächt. Die in der Arbeit dokumentierte Nervenzellschädigung 50 Tage nach einer einmaligen, 2-stündigen, wesentlich unterhalb der Grenzwerte liegenden Mobilfunkexposition ist mit dem Gesamtbild der veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten nicht vereinbar. Da es sich aber um schwerwiegende Effekte handelt, wird die Studie trotz der Mängel als Hinweis auf gesundheitlich relevante Effekte unterhalb der Grenzwerte behandelt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die von Salford et al. präsentierten Ergebnisse in Wiederholungsstudien durch eine andere Forschungsgruppe unter Vermeidung der erwähnten Mängel v.a. bezüglich der Expositionsbedingungen zu überprüfen. Im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms werden aus diesem Grund zwei Studien (in vitro, d.h. an einem Zellkulturmodell, und in vivo, d.h. im Tierversuch) zur Untersuchung des Einflusses hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die Blut-Hirn-Schranke durchgeführt. Parallel dazu sind auch in anderen Ländern Wiederholungsstudien geplant bzw. zum Teil bereits begonnen worden. Literatur Martens, L; Van Hese, J; De Sutter, D; De Wagter, C; Malmgren, L; Persson, BRR (1993); "Electromagnetic field calculations used for exposure experiments on small animals in TEM-cells", Bioelectrochem Bioenerg 30: 73-81 Malmgren L. (1998); "Radio Frequency Systems for NMR Imaging: Coil Development and Studies of Non-Thermal Biological Effects"; (PhD thesis); Lund, Sweden: Department of Applied Electronics, Lund University Vohra, BPS.; James, TJ; Sharma, SP; Kansal, VK; Chudhary, A.; Gupta, SK (2002); "Dark neurons in the ageing cerebellum: their mode of formation and effect of Maharishi Amrit Kalash"; Biogerontology 3: 347-354 |
Original: http://www.emf-forschungsprogramm.de/int_forschung/wirk_mensch_tier/stellungnahmen/bhs02.html
Zu den Inhalten zweier Publikationen von Salford aus dem Jahr 2008 eine Zusammenfassung aus dem Artikel "Neues aus der Wissenschaft" im Newsletter 1/2009 der Forschungsgemeinschaft Funk:
Mechanismen zum Einfluss von HF-Feldern auf neuronale SystemeVerhaltensstörungen, allerdings keine neurohistologischen Befunde, bei
extrem schwach exponierten Ratten im Langzeitversuch. Die Behauptung der
Salford-Gruppe vor einigen Jahren, schwache HF-Felder würden die Bluthirnschranke
beeinflussen, löste Emotionen aus, konnte aber nie verifiziert werden.
In zwei neuen Publikationen dieser Gruppe wird ein Versuch beschrieben,
bei welchem man Ratten während 55 Wochen, wöchentlich einmalig (!) für
2 Stunden einem GSM-Feld (900 MHz) aussetzte, mit SAR-Werten (schwankend,
da sich die Tiere frei in der TEM-Zelle bewegten) von 0,6 und 60 mW/kg
(je 16 Tiere), sie anschließend (3-7 Wochen nach der letzten Exposition)
Verhaltenstests unterzog und danach das Gehirn histochemisch untersuchte.
Semiquantitativ erfasste man die Zahl albuminhaltiger Zellen, jene der
so genannten „dunklen Neuronen“ sowie der Zellen mit Lipofuscin-Aggregaten
(als Indikator für Alterung). |
Original:http://www.fgf.de/publikationen/newsletter/einzeln/NL_09-01/7_NadW_FGF-NL_1-09.pdf
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse anderer Studiengruppen, welche die Ergebnisse von Salford nachvollziehen wollten, findet man in einem Beitrag im Newsletter 4/2009 der Forschungsgemeinschaft Funk:
Keine Reproduzierbarkeit der Salford-Experimente
durch eine Gruppe der Universität Bordeaux Keine Reproduzierbarkeit der Salford-Experimente durch eine multi-institionell zusammengesetzte
japanische Gruppe Keine Reproduzierbarkeit der Salford-Experimente
durch eine Arbeitsgruppe in San Antonio (Texas) |
Verdient Salfords neue Studie die große Beachtung in den Medien?
Eine umfangreiche wissenschaftliche Kritik dieser Studie von SalfordMehr Information zur Blut-Hirn-Schranke
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