Wirkungsmechanismen und biologische Wirkungen
Die wichtigsten Wirkungsmechanismen beim Eindringen hochfrequenter elektromagnetischer
Strahlung in biologisches Material sind Polarisationen auf atomarer und
molekularer Ebene. Dazu gehören periodische, mit der Frequenz des Feldes
oszillierende Verschiebungen und Schwingungen von Elektronen und Atomen
sowie von Dipolen, wie zum Beispiel des Wassermoleküls, oder von Seitenketten
größerer Moleküle. Die Absorption von Hochfrequenzstrahlung infolge der
Orientierungspolarisation von Wasser ist der Hauptabsorptionsmechanismus
im GHz-Bereich. Bei der Orientierungspolarisation der Wassermoleküle kommt
es zu Kraftwirkungen auf benachbarte Wasserdipole, die bei hinreichend
starker Hochfrequenz-Einstrahlung infolge von Reibungsverlusten zu einer
Wärmewirkung führen können.
Verschiebungen von Raumladungen sind vor allem in der Umgebung von Strukturen
mit elektrisch unterschiedlichen Eigenschaften von Bedeutung. Beispielsweise
entstehen an Zellmembranen elektrische Potentialdifferenzen, die mit der
Frequenz des eingestrahlten Feldes variieren und sich dem Ruhepotential
der Zelle überlagern.
Wichtig ist, daß biologische Wirkungen als Folge von Wärmeeffekten und
Kräfte aufgrund von Dipolwirkungen oder von Potentialdifferenzen Schwellenwerte
zu ihrer Auslösung erfordern.
Diese Wechselwirkungsmechanismen folgen aus Untersuchungen der elektrischen
Eigenschaften verschiedener Gewebe, zum Beispiel der Frequenzabhängigkeit
der Dielektrizitätskonstanten oder der Leitfähigkeit.
Aufgrund der elementaren Wirkungsmechanismen ergibt sich die starke Frequenzabhängigkeit
für die Eindringtiefe elektromagnetischer Strahlung bei wasserreichen
Gewebearten, wie zum Beispiel Muskelgewebe. In dem für den Mobilfunk relevanten
Frequenzbereich liegen die Eindringtiefen in der Größenordnung weniger
cm, im Radarbereich oberhalb von 10 GHz in der Größenordnung von Millimetern
oder niedriger. Die Wirkung dieser hochfrequenten Mikrowellen ist vergleichbar
mit der von Infrarotstrahlung.
Thermische Effekte
Die thermischen Effekte hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung
sind größtenteils an Tieren untersucht worden. Die quantitativen Daten
aus Tierversuchen (einschließlich Primaten) legen die Annahme nahe, daß
ähnliche Effekte auch am Menschen auftreten, wenn die Exposition (spezifische
Absorptionsrate) von vergleichbarer Größenordnung ist. Die Extrapolation
der Tierversuche auf Verhältnisse beim Menschen ist aber nicht nur wegen
der unterschiedlichen Resonanzabsorption schwierig, sondern auch aufgrund
von Unterschieden zwischen den Spezies und physiologischer Unterschiede
wie der Fähigkeit zur Thermoregulation.
Unter internationalen Experten ist man sich einig, daß es nötig ist, die
Energieabsorption zu begrenzen, um den Menschen bei Einwirkung von Hochfrequenzstrahlung
zu schützen. Die bestehenden Grenzwertempfehlungen basieren auf der Erwärmung
des Gewebes durch Hochfrequenzstrahlung.
Nicht thermische Wirkungen
Die grundlegenden Wechselwirkungen elektromagnetischer Strahlung mit
biologischen Systemen auf atomarer und molekularer Ebene sind nicht thermischer
Art, das heißt nicht mit einer Temperaturerhöhung verbunden. Gut untersuchte
nicht thermische Wirkungen auf Zellebene sind Kraftwirkungen und feldererzeugte
Zellmembranspannungen.
Bei Kraftwirkungen können aufgrund von Ladungsverschiebungen auf zellulärer
Ebene Dipole entstehen. Benachbarte Dipole können Kräfte aufeinander ausüben.
Die Konsequenzen sind, daß (außer den bereits erwähnten Wärmewirkungen)
Zellen sich kettenförmig anordnen oder auch so orientieren können, daß
sie im inhomogenen Feld wandern oder es zu Drehbewegungen (Zellrotation)
kommt. Die Kraftwirkungen lassen sich quantitativ mit der Dipoltheorie
beschreiben. Aus experimentellen und theoretischen Untersuchungen hat
sich ergeben, daß die Schwellenwerte bei normaler physiologischer Leitfähigkeit
so hoch liegen, daß sie von den Wärmewirkungen überdeckt werden und daher
für die Risikobewertung keine Rolle spielen.
Bei Spannungsdifferenzen an Zellmembranen hat die Membran der Zelle eine
im Vergleich zum Zellzytoplasma und zum Zellaußenraum sehr geringe Leitfähigkeit.
Ferner wirkt die dünne Doppel-Lipidschicht (Dicke etwa 5 nm) im Hochfrequenzfeld
der Umgebung der Zelle wie ein Kondensator (Kapazität etwa 1 µF/cm² Zellmembranfläche).
Dies hat zur Folge, daß bei einer Gewebefeldstärke von 100 V/m über der
Zellmembran Potentialdifferenzen in der Größenordnung von einigen mV entstehen,
die sich dem normalen Ruhepotential von 20 bis 60 mV mit der Frequenz
des Hochfrequenzfeldes überlagern. Die Schwellenwerte für die Auslösung
von Reizwirkungen sind bekannt und liefern die wesentliche Datenbasis
für Grenzwertfestlegungen unterhalb einiger MHz. Wichtig ist, daß bei
Frequenzen oberhalb von 1 bis 10 MHz die Zellmembran aufgrund ihrer elektrischen
Eigenschaften kapazitiv überbrückt wird und die felderzeugten Potentialdifferenzen
oberhalb von etwa 100 MHz vernachlässigbar klein werden.
Effekte, die bei amplitudenmodulierter Mikrowellenstrahlung oder bei gepulster
Mikrowellenstrahlung beobachtet werden, lassen sich daher mit großer Wahrscheinlichkeit
nicht mit felderzeugten Potentialdifferenzen über Zellmembranen erklären.
Membranpotentiale spielen daher für die bei der digitalen Mobilfunktechnik
relevanten Frequenzen kein Rolle. Über die Exposition durch sehr niedrige
Leistungsflußdichten amplitudenmodulierter Hochfrequenzfelder - zu niedrig,
um zu einer Erwärmung zu führen - wird in der Literatur seit ungefähr
25 Jahren berichtet.
Einige Forschergruppen berichten über Änderungen der elektrischen Gehirnaktivitäten
von Katzen und Kaninchen, über Veränderungen der Aktivität des Enzyms
Ornithin-Decarboxylase (ODC) sowie über veränderte Kalziumkonzentrationen
in Gehirngewebe sowohl in vivo als auch in vitro. Die effektiven Werte
der spezifischen Absorption in vitro waren dabei niedriger als etwa 0,01
W/kg, wobei eine komplexe Abhängigkeit innerhalb von "Frequenzfenstern"
der Modulation (meistens zwischen 10 und 100 Hz) beobachtet wurde.
Nicht geklärt sind auch Beobachtungen, die über Veränderungen von EEG-Signalen
bei Probanden in unmittelbarer Nähe von Mobilfunkgeräten berichten. Bei
einer von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht ionisierenden
Strahlen (ICNIRP) mit der WHO im November 1996 durchgeführten internationalen
Konferenz in München mit weltweit anerkannten Experten hat es keine Hinweise
gegeben, daß schwache Feldexpositionen, wie sie gegenwärtig in der Umwelt
auftreten, gesundheitliche Auswirkungen haben. Die Beobachtung einiger
subtiler Effekte erfordert jedoch Forschungsanstrengungen, insbesondere
um die Relevanz für den Mobilfunk abschließend abzuklären.
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